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Auf Lehmfortbildung im Ahrtal – 1 Jahr nach der Flutkatastrophe

Fortbildung Lehmfachkraft Ahrtal 0

Grünspecht Markus Wolf spricht mit uns über die Fortbildung zur Lehmfachkraft, das natürliche Baumaterial Lehm und seine Eindrücke, die er aus dem von der Flutkatastrophe 2021 erschütterten Ahrtal mitgebracht hat.

Markus, was hat dich dazu bewegt, die Fortbildung zur Fachkraft im Lehmbau zu machen?

 

Mit der Entscheidung, strohgedämmte und lehmverputzte Häuser zu bauen, fiel für uns Grünspechte auch die Entscheidung in den FASBA (Fachverband Strohballenbau) und den DVL (Dachverband Lehm) als Mitglied einzutreten. Beide Verbände sind gemeinnützige Vereine und bringen seit vielen Jahren das Bauen mit Stroh und Lehm voran. Sie kümmern sich um Normen, Zulassungen und Prüfungen von Konstruktionen, wovon alle profitieren, die mit diesen Materialien bauen!

Im September 2021 nahm ich an der Mitgliederversammlung des DVL in Weimar teil und lernte viele Akteure kennen und schätzen. Unter anderem auch einige sehr kompetente Referenten der Ausbildung Fachkraft im Lehmbau.

Immer öfter bekommen wir in der Zimmerei auch Anfragen zu Lehmbauarbeiten im Bestand. Damit stellen sich teils noch einmal andere Fragen als im Strohballenbau. Auch wenn wir bei Grünspecht Kollegen haben, die diese Ausbildung schon absolvierten, sah ich für mich einen Sinn darin und bekam Lust den Lehmbau noch einmal "von der Pike" auf zu lernen.

Ich möchte noch kompetenter in der Beratung und Ausführung werden und freue mich auf die Umsetzung neu erlernter Techniken!"

 

Wie gestaltet sich die Fortbildung und was machst du genau mit dem Team vor Ort im Ahrtal?

Markus Wolf: "Die Fortbildung FKL - Fachkraft im Lehmbau wird von der Handwerkskammer als Grundlage gefordert, um einen Lehmbaubetrieb zu gründen. Sie dauert 3,5 Wochen und umfasst umfangreiche Ausbildungsmodule in Theorie und Praxis.

1: Grundlagen des Lehmbaus

2: Nasslehmtechniken

3: Putze mit Lehm

4: Lehm Mauerwerksbau

5: Lehmtrockenbau

6: Baugewerbliche Grundlagen

Das Besondere an unserem Kurs ist, dass wir im Ahrtal ausgebildet werden und wir uns die Praxis in 2 Häusern erarbeiten, die von der Flut weitgehend zerstört wurden. Federführend für diese Idee der Fluthilfe und die Abwicklung ist der neu gegründete Verein Arbeitsgemeinschaft Historisches Ahrtal e.V.. Er hat die Objekte vorbereitet, organisiert die Logistik, das Material (Spenden der Hersteller aus dem Bereich Lehmbau) und führt uns hier in die Situation sehr gut ein.

Das eine Objekt ist ein sehr altes kleines Fachwerkhaus in Waldporzheim. Hier haben wir sämtliche Gefache mit Lehmsteinen neu ausgemauert, Wandheizungen montiert und verputzt. Es wurden Lehm-Trockenbauplatten verarbeitet, eine Blähton-Leichtlehm-Innenschale wurde angebracht (zur Dämmung) und diverse Gefache mit Staketen und Haselstecken wieder bestückt und mit Strohlehm (vermischt und getreten im Eimer) "beworfen".

Das Haus steht ca. 50m entfernt von der Ahr und stand bis zur Dachrinne (2 Vollgeschosse) im Wasser.

Interessant: Bei alten Häusern, die mit Lehm ausgefacht waren, spülte es "nur" die Gefache raus. Somit konnte der Wasserstrom fast ungehindert durchfließen und es gab keinen Druck auf die Wände. Somit blieben sie stehen.

Das andere Objekt ist ein altes Gasthaus und Hotel mit 700 qm Grundfläche namens "Lindenmühle" in Ahrweiler, in dem das Wasser 2 m hoch im Erdgeschoss stand. Hier verputzen wir in verschiedenen Lagen und Techniken, bringen Opferschichten zur Entsalzung auf, kleben eine Holzweichfaser-Innendämmung mit Lehmkleber auf das alte Bimsmauerwerk, verputzen eine alte Gewölbedecke, machen Feinputze, Lehmspachteltechniken und lernen andere Finish-Oberflächen.

Zusätzlich bekommen wir Einblicke in diverse andere Themen wie Stampflehm, Flächenheizungen, Schadensfälle, historische Lehmbauten und wir profitieren von den vielfältigen Erfahrungen der Referenten aus ihrem handwerklichen und ingenieurtechnischen Alltagsaufgaben.

Gerade die Praxis auf der "richtigen Baustelle" finde ich gut!

Fortbildung Lehmfachkraft Grünspecht Markus

 

Welche Eindrücke nimmst du mit vom Ahrtal und den Menschen dort?

 

Wir wurden hier gleich am ersten Tag gut eingeführt und vorbereitet.

Viele Menschen haben hier Angehörige, Freunde oder zumindest Bekannte verloren. Unglaublich viele Menschen stehen vor dem "Nichts". Die Zerstörung ist unglaublich und die Erzählungen aus der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 (also genau ein Jahr vor meiner Anwesenheit hier) lassen mich nicht los. Es waren Zustände wie im Krieg. Kein Strom, kein Wasser, Verletzte und Tote - unsagbares Leid. Meterhoch Müll, Fahrzeuge, Schadstoffe, Bäume, Erde, Schlamm. Die Menschen wollen ihre Geschichte erzählen - das ist Teil der Verarbeitung. Auch noch jetzt nach einem Jahr. Es passiert viel zu wenig. Die Mühlen bei Versicherungen, Politik und Ämtern mahlen viel zu langsam!

Flutkatastrophe Ahrtal

 

Mich schockiert auch das Ausmaß der ökologischen Katastrophe, Heizöl, Diesel, Benzin, Farben, Lacke, Spritzmittel der Winzer, jegliche denkbare Schadstoffe, alles kam mit dem Wasser das Tal runter. Tausende Fahrzeuge wurden mitgespült. Viele Häuser müssen abgerissen werden, weil sie vom Öl, das in die Wände eingezogen ist, so verseucht sind, dass man sie nicht sanieren kann.

Ich bin froh, dass ich auf diese Weise die Möglichkeit habe, ein klein bisschen zu helfen und mir einen eigenen Eindruck zu machen!

 

Wer macht neben dir als Zimmerer noch mit bei der Fortbildung? Was sind das für Menschen, die sich da tummeln und mit Lehm „schmieren“?

 

Wir sind eine sehr bunte und tolle Truppe im Alter von 21 bis 52 Jahren. Berufe: Zimmerer, Maurer, Heizungsbauer, Architekten, Bauingenieure, Maler und Lackierer... Wir könnten direkt eine Firma gründen und hätten alle im Boot, die es braucht!

Alle in unserem Kurs verbindet die Begeisterung und Neugier für den Baustoff Lehm und: die gemeinsame Arbeit im Flutgebiet ist sehr teambildend! Besonders schön sind die tollen Dialekte aus Rheinland, Pfalz, Hessen, Hamburg, München, und mit mir als ostdeutschem Badener... Ihr glaubt nicht, was wir für Spaß haben! Wir tauschen die verschiedensten Sprüche am Bau aus, quasi gewerke- und dialekteübergreifend!

"Isch sach Eusch, dat is herrlisch!"

 

Was findest du „besonders“ am Werkstoff Lehm? 

 

Je mehr ich mich mit Stroh und Lehm in Ergänzung zum Holz befasse, desto mehr habe ich das Gefühl, dass die ganze Materialentwicklung der Bautechnik seit den 50er oder 60er Jahren ein großer Irrtum war. Nicht nur die Erfindung von Holzschutzmitteln, Asbestprodukten und teerhaltigen Baustoffen sind da ein Irrweg. Wir verbauen so viele energie- und ressourcenintensive Materialien!

Ich habe da immer eine Skizze im Kopf, vom Architekten Marc Angst aus Zürich: Ein kleines Männchen steht vor einem Riesenloch (ausgebeutete Ressourcen) und hinter ihm ein riesiger Berg (Müll)...

Jetzt, da plötzlich das Gas knapp und die Energie teurer wird, merken wir alle, wie wenig resilient diese Bauweisen sind.

An Lehm fasziniert mich, dass er unbegrenzt oft wieder wasserlöslich ist, also immer wieder aufbereitet und angelöst werden kann. Er ist ein reines Naturprodukt, zur Herstellung der Baustoffe braucht es kaum Energie. Beachtet man die konstruktiven Regeln ist er sehr dauerhaft und schafft das optimale und gesunde Raumklima für uns Menschen.

Und die handwerkliche Arbeit mit diesem Material ist sinnstiftend und befriedigend! Wie konnte das so arg aus dem Blick geraten?

 

Markus, auch wenn schon alles gesagt ist, magst du uns vielleicht noch ein Schlusswort sagen?

 

Ja, die 3 Wochen gehen schnell vorbei und ich genieße das "Vanlife" in meinem Bulli! Mein "Bildungsurlaub" übertrifft meine Erwartungen und da ich schon während meiner Lehre ´96 in Thüringen einen Lehmbaukurs in Kleinfahnern belegte, fühlt es sich als Fortsetzung der eigenen Entwicklung und Interessen an - das ist sehr schön!

Fachwerk mit Lehmsteinen ausgefacht 

Nach seiner Fortbildung zur Lehmfachkraft durfte Markus gleich Einsatz zeigen, bei einem unserer aktuellen Lehmputz-Projekte in Freiburg. Hier wurde YOSIMA Lehm-Designputz für einen Wintergarten im Grundfarbton Rot angebracht.

Lehmputz rot im Wintergarten

 

Unsere strohgedämmten GrünspechtHäuser werden mit Lehm verputzt. Impressionen hierzu gibt es unter unseren Referenzen.

Auf unserem YouTube Kanal zeigen wir, wie Lehmputz bei unseren Strohballenhäusern angebracht wird.

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