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Die Grünspechte klopfen jetzt auf Stroh

Strohballenwand Sexau

Interview mit Zimmermeister Markus Wolf von Wiebke Kaesberg des EU-geförderten Projekts UP STRAW

 

Markus, warum habt Ihr entschieden, Euch in Strohbau einzuarbeiten obwohl Eure Auftragsbücher voll waren?

Wir Grünspechte sind eine ökologisch denkende Belegschaft und die globalen Probleme beschäftigen uns sehr. Für viele der Herausforderungen der Welt wie z.B. Klimawandel, Knappheit an Wohnraum und Ressourcen bietet Strohbau Antworten. Wir Grünspechte sind Pioniere und wollen bisher gesetzte Standards in der Baubranche verändern in Richtung von nachhaltigerem Bauen. Schon seit einigen Jahren waren wir auf der Suche nach einer noch ökologischeren Bauweise, einem neuen Unterscheidungsmerkmal. So kamen wir auf Stroh und Lehm. Als dann eine Kundschaft konkretes Interesse daran zeigte, haben wir uns in das Thema eingearbeitet und uns entschieden, gemeinsam mit dieser Kundschaft das Pilotprojekt zu starten.  

Und was sind Eure ersten Erfahrungen mit dem Strohballenbau?

Zunächst einmal ist Stroh ein sympathisches Bauprodukt. Wir erhalten nur positive Reaktionen auf diese Bauweise von Außenstehenden. Und der Einstieg in die Strohbau-Szene war klasse. Die Vernetzung mit enthusiastischen Menschen, die etwas bewegen wollen, ist sehr erfüllend. Da merkt man einen großen Unterschied zum Kontakt mit „normalen Baustoffvertretern“.

Was noch motivierend ist: Die Bauprodukte beim Strohbau sind zwar arbeitsintensiver aber der Umgang ist zufriedenstellender, denn man kann mit einer kleineren Vielfalt von Produkten eine höhere Wertschöpfung erzielen. Im Vergleich zu industriellen Baustoffen sind die Strohbauprodukte einfacher und günstiger. Der Kunde zahlt sein Geld an den Handwerker für seine Arbeit und nicht an die Baustoffindustrie. Das macht für uns Sinn.

Was uns am modernen Strohballenbau auch begeistert ist, dass die Bauweise sehr ausgereift ist. Strohgedämmte Gebäude sind besonders nachhaltig und zugleich auf höchstem technischem wie auch gestalterischem Niveau. Das ist das, was Kunden heute wollen.

Welche bautechnischen Herangehensweisen haben sich für Euch bewehrt?

Wir sind gewohnt, mit einem hohen Vorfertigungsgrad zu arbeiten und das geht im Strohbau sehr gut. Wir bauen die Wandelemente in der Werkhalle und sind dadurch lange wetterunabhängig. In der Zimmerei können wir unsere technische Infrastruktur nutzen und die Wände im Liegen mit den Ballen befüllen, was deutlich einfacher ist als der bauseitige Einbau.

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Unser Glück war, dass wir einen Strohlieferanten gefunden hatten, der ein spezielles Ballenformat herstellen kann.

Der Hersteller hat von uns eine Strohliste mit den Maßen für alle Gefache bekommen und die Ballen unserem Holzbauplan angepasst. Durch die individuelle Pressung und die Vierfachschnürung können wir die Ballen verhältnismäßig einfach einbauen. Außerdem gewährleistet die Pressung nach Maß, dass wir in der Planung und Ausführung flexibel sind und die Individualität des Entwurfes nicht durch die Baumethode eingeschränkt wird. Das war uns wichtig.

Aufpassen sollte man bei den großen strohgedämmten Wänden auf die Gewichte, die Verformungen und die Traglasten. Die Wände dürfen nicht zu schwer für den Kran werden und sie dürfen sich nicht verformen durch die Last.

Wichtig ist auch, die statischen Lösungen bezüglich der Aussteifung frühzeitig mit dem Statiker zu durchdenken, da bei Strohballenhäusern nicht selbstverständlich eine OSB-Platte als Versteifung fungiert.

Was waren weitere Herausforderungen bei Eurem Pilotprojekt?

Die Logistik ist eine Herausforderung: bei begrenzten Betriebsgrößen ist die Lagerung des Strohs und der dickeren Wände  im Vorfeld zu klären. Unsere Lösung war eine Wechselpritsche, die außerhalb der Halle als Lager für das Stroh diente. Das Geld dafür hat man im Vorfeld einzukalkulieren.

Und es entsteht ein ganz schöner Dreck in der Halle durch das Stroh.

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Was müsste passieren, damit noch viel mehr Zimmereien Strohballenbau ins Portfolio aufnehmen?

Die Bauweise muss bekannter werden, damit mehr Nachfrage entsteht.

Der Ausstoß von CO2 müsste bepreist werden. Dann wäre Strohbau sehr viel günstiger als herkömmliche Baustoffe, da CO2 beim Wachstum gebunden wird.

Es müsste bei den Betriebsleitern ein Bewusstsein dafür entstehen, dass nachhaltiges Bauen Wettbewerbsvorteile auf dem Arbeitskräftemarkt bringen kann. Viele junge und motivierte Baufachleute haben ein großes Interesse daran, dass das, was sie bauen, zukunftstauglich ist. Neben der Entlohnung stellt das für sie einen zusätzlichen Anreiz dar. Wer sich als Zimmerei für nachhaltiges Bauen z.B. mit Stroh entscheidet, wirkt sinnstiftend und damit anziehend auf bestimmte Arbeitskräfte. 

Mit dem Strohbau haben wir nach 35 Jahren Firmengeschichte nochmal einen neuen Weg eingeschlagen und ein neues Alleinstellungsmerkmal gefunden. Wir freuen uns darüber und hoffen für unseren Planeten, dass wir nicht lange „allein“ damit bleiben. Denn der Strohballenbau ist marktreif und kann schon jetzt von allen Fachleuten und Bauherrschaften angewandt werden.

Danke Markus für das Interview!

 

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